Stoffbeschreibung und Vorkommen
Quecksilber kommt in der Natur hauptsächlich in Form des Sulfids (Zinnober, HgS) vor. Zinnober ist die wichtigste durch Bergbau geförderte Quecksilber-Verbindung. Die jährliche Weltproduktion beträgt etwa 10.000 t. Die technische Quecksilber-Gewinnung erfolgt fast ausschließlich in Form von Zinnober-Erz. Es findet Verwendung bei der Herstellung von Thermometern, Barometern, Manometern usw., in der Elektroindustrie zur Fabrikation von Lampen, Schaltern, Gleichrichtern und Trockenzellbatterien. Weiterhin wird Quecksilber in der Chloralkali-Industrie sowie bei der Herstellung von Amalgam benötigt. Auch in einigen Saatgutbeizmitteln ist Quecksilber enthalten, der Gebrauch als Fungizid ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1974 verboten. In der pharmazeutischen Industrie werden quecksilberhaltige Antiseptika oder bakterizide Konservierungsstoffe hergestellt. Als wichtige Quecksilber-Verbindungen gelten die Oxide, die zur Entschwefelung organischer Stoffe und in der Farbenfabrikation bei Öl- und Latexfarben verwendet werden. Bei der Gewinnung aus Erzen, bei der Anwendung, aber vor allem bei der Herstellung der verschiedenen Präparate gelangt Quecksilber in Luft und Abwässer, aber auch direkt in den Boden. Der Quecksilbergehalt im Süßwasser beträgt normalerweise unter 0,1 µg/l, in Meerwasser etwa 0,03 µg/l, die Quecksilberkonzentrationen im Boden betragen etwa 0,1 bis 0,5 mg/kg. Erhöhte Gehalte werden in Überschwemmungsgebieten gefunden. Im Boden und in Gewässern findet in beträchtlichem Ausmaß eine Methylierung von anorganischen Quecksilber-Verbindungen durch Mikroorganismen und chemische Prozesse statt. Methylquecksilber akkumuliert in aquatischen Systemen. In Raubfischen werden hohe organische Quecksilber-Gehalte festgestellt.
Tabelle 1a: Quecksilber-Immissionskonzentrationen im Schwebstaub in verschiedenen Gebieten Deutschlands (ng/m³) |
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Jahresmittel | Quelle | |
Suhl Hanau typ. Hg-Konzentration in Außenluft (gasförmig) |
0,55 0,9 1,0 – 3,6 |
RABA 2003 TÜV SÜD 2007/2008 ERGO 2009 |
Schleswig-Holstein Hessen NRW |
3 - 4 0,05 – 0,29 0,04 – 0,54 |
GUK 2009 GUK 2008 GUK 2011 |
Tabelle 1b: Quecksilber-Immissionskonzentrationen im Staubniederschlag in verschiedenen Gebieten Deutschlands [µg/(m² * d)] |
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Schleswig-Holstein Hessen NRW |
0,005 0,05 – 0,29 0,086 |
GUK 2009 GUK 2008 GUK 2011 |
Die Hg-Konzentrationen in der Atmosphäre liegen normalerweise in sehr niedrigen Konzentrationen vor. Die höchsten Konzentrationen finden sich über der Bodenoberfläche, was auf die Ausdampfung von elementarem Hg oder flüchtigen Hg-Verbindungen aus dem Boden zurückzuführen ist. Emissionsquellen für Quecksilber sind vor allem die Elektro- und die Chloralkali-Industrie sowie die Verbrennung von Öl und Kohle. Weiterhin wird es frei bei der Gewinnung von Erzen und auch in Abfallverbrennungsanlagen. Quecksilber kann - wie auch Arsen und Selen - dampfförmig im Rauchgas auftreten. Die Trocken- und die Paralleletrommel des geplanten Aspahaltmischwerkes in Stadthagen sollen mit Braunkohle betrieben werden. Der Quecksilbergehalt in Braunkohle kann je nach Abbaugebiet bis zu 0,9 mg/kgTS (Leitfaden zur energetischen Verwertung von Abfällen in Zement-, Kalk- und Kraftwerken in Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage; Seite 147) betragen.
RABA Südwestthüringen: Umweltmedizinisch-humantoxikologisches Gutachten, Dezember 2003
TÜV Süd Industrie Service 2008: Immissionsvorbelastungsmessungen Kraftwerk Staudinger, Zwischenbericht über die Messergebnisse April 2007 bis April 2008 Bericht Nr. 965505-ZWB2 vom
27.06.2008
ERGO 2009: Durchführung von Staubniederschlags- und Staubmessungen PM10 und Analyse von Staubinhaltsstoffen an 2 Standorten in Brunsbüttel für das staatliche Umwelt Itzehoe -
Immissionsmessungen -, Bericht Stand Februar 2009. Ergo Forschungsgemeinschaft mbH Hamburg 2009
GUK 2009: Umweltmedizinisch – humantoxikologische Bewertung der Immissionssituation in der Umgebung des geplanten Steinkohlekraftwerks Brunsbüttel, GUK mbH Wetzlar 2009
GUK 2008: Umweltmedizinisch - humantoxikologische Bewertung der Immissionssituation in der Umgebung des geplanten Kraftwerkblocks (Block 6) Kraftwerk Staudinger in
Großkrotzenburg am Main, GUK mbH Wetzlar 2008
GUK 2011: Umweltmedizinisch - humantoxikologische Bewertung der Immissionssituation in der Umgebung des Industriekraftwerks Berrenrath der RWE Power AG nach der geplanten
Änderung zur Mitverbrennung, GUK mbH Wetzlar 2011
Aufnahme und Wirkungen
Während eine Belastung mit anorganischem Quecksilber - außer am Arbeitsplatz - praktisch nicht vorkommt, kann eine relevante Aufnahme zumeist organisch-gebundenen Quecksilbers oral mit der
Nahrung (Methylquecksilber vor allem über Meerestiere) erfolgen. Da Quecksilber aus Amalgamfüllungen in geringen Mengen freigesetzt wird, ist Dentalamalgam neben dem Fischverzehr die
Hauptquelle für die Quecksilberaufnahme beim Menschen.
Die Zufuhr über Trinkwasser ist im Allgemeinen ohne Bedeutung. Dagegen werden über Inhalation vor allem in der Nähe entsprechender Emittenten metallische Quecksilber- Dämpfe, in Einzelfällen
auch flüchtige organische Verbindungen aufgenommen. Dermale Kontaminationen kommen - mit Ausnahme bestimmter Arbeitsbereiche - nicht vor. Inhalierter Quecksilber-Dampf wird zu 80 % über die
Lunge in den Körper aufgenommen. Die Absorption anorganischer Verbindungen aus der Nahrung beträgt etwa 7 % der aufgenommenen Menge. Dagegen erfolgt die Magen-Darm-Absorption von
Methylquecksilber und anderen organischen Verbindungen nahezu vollständig. Im Blut liegen organische Hg-Verbindungen überwiegend an Plasmaproteine gebunden vor, anorganische Verbindungen
reichern sich stärker in den roten Blutkörperchen an. Quecksilber-Verbindungen werden vorwiegend mit dem Urin und den Faeces ausgeschieden. Organisches Quecksilber wird offensichtlich fast
ausschließlich über die Faeces ausgeschieden.
Akute Vergiftungen werden zumeist durch lösliche anorganische Salze ausgelöst. Erste Anzeichen sind Pharyngitis, Schluckbeschwerden, Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen, blutiger
Durchfall und Schockzustand. Weitere Symptome sind Schwellungen der Speicheldrüsen, Stomatitiden und Zahnausfall, manchmal auch Gelbsucht. Die Schädigungen des Intestinaltraktes und der Leber
können zum Tod führen. Chronische Vergiftungen kommen wegen der kumulativen Eigenschaften elementaren Quecksilbers und seiner Salze häufiger vor als akute Intoxikationen. Das klassische
Syndrom beginnt mit psychischen und emotionalen Störungen sowie Depressionen, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Gedächtnisverlust und Schlaflosigkeit sind weitere Symptome, die später zu
Parästhesien und Neuralgien führen. Außerdem kann der Atemtrakt betroffen sein. Bei Intoxikationen mit Quecksilbersalzen ist das Bild ähnlich, jedoch steht hier die Schädigung der Leber im
Vordergrund; sie kann im Einzelfall zum Tode führen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Wirkungen auf das Immunsystem bei niedrigen Konzentrationen nicht ausgeschlossen werden können. Nach
Angaben der WHO (1995) sollten die „normalen“ städtischen Hintergrund-konzentrationen von 5 - 10 ng/m³ nicht überschritten werden. Methylquecksilber und andere Alkylverbindungen sind Auslöser
für die „Minamata-Krankheit“ mit allgemeinen Sensitivitätsstörungen, die bis zum Verlust des Gleichgewichtssinnes, zu Tremor und Koordinationsstörungen führen können. Obwohl Quecksilber die
Plazenta-schranke passiert und entsprechende Symptome beim Fetus verursachen kann, ist es im Gegensatz zu Versuchstieren beim Menschen nicht teratogen. Zur mutagenen Wirkung ist lediglich
bekannt, dass Methylquecksilber Chromosomenaberrationen auslöst. Cancerogene Wirkungen von Quecksilber beim Menschen sind nicht bekannt.
Grenz- und Orientierungswerte
Tabelle 3: Grenz- und Orientierungswerte für Quecksilber
Grenz-/ Orientierungswerte |
Bemerkungen | |
Emissionswerte | ||
17. BImSchV und 13. BImSchV |
0,05 mg/m³ (*1) 0,03 mg/m³ (*1) |
Halbstundenwert Tagesmittelwert |
Immissionswerte | ||
MAK-Wert (*1) DFG (2012) |
0,02 mg/m³ E (Hg und anorg. Verb. |
Krebskategorie 3B Sh Gefahr der Sensibilisierung der Haut Schwangerschaftsgruppe D |
MAK-Wert DFG (2012) | - (organische Verbindungen) |
Krebskategorie 3B Sh Gefahr der Sensibilisierung der Haut |
TA Luft (2002) | 1 µg/(m² * d) | Deposition (Mittelungszeitraum: Jahr) |
WHO (2000) |
1 µg/m³ (anorganisches Hg) |
Jahr |
4. Tochterrichtlinie (2004) (*2) | - | Zielwert nicht festgelegt |
LAI Unterausschuss (*3) |
50 ng/m³ 1 µg/(m² * d) |
Jahremittelwert/Mensch Jahremittelwert/Mensch/Tier/Pflanze |
39. BImSchV (2010) | - | nicht festgelegt |
LAI 2004 | 50 ng/m³ | Orientierungswert für die Sonderfallprüfung |
1 Quecksilber und seine anorganischen und organischen Verbindungen: Krebskategorie 3B, es liegen Anhaltspunkte für eine
krebserzeugende Wirkung vor, die jedoch zur Einordnung in eine andere Kategorie nicht ausreichen. Weitere Untersuchungen erforderlich
2 4.Tochterrichtlinie: Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen,
Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft
3 LAI Immissionswerte für Schadstoffdepositionen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen